Most Wanted

Das Programm 1

Leonie bemühte sich, langsam und kontrolliert zu atmen. Hier im Korridor vor Zimmer 211 schien der typische Geruch des Gebäudes besonders konzentriert. Es roch nach altem Linoleum und dem dafür typischen industriellen Putzmittel. Es roch nach dem olfaktorischen Echo vieler Menschen, die teils die Prinzipien der Körperhygiene erst noch erlernen mussten. Es roch nach kaltem Kaffee und altem Papier.

Mit anderen Worten, es roch nach Schule. Eingedampft, destilliert. 

Ihre Beine trugen sie langsam, aber unausweichlich Schritt für Schritt für Schritt näher zu dem Büro von Herr Baumann und Frau Lazka. Obwohl sie sich mittlerweile anfühlten wie Wackelpudding. Heute würde sie also herausfinden, was hinter dieser Tür passierte. Natürlich hatte sie Geschichten gehört. Und sie hatte diesen Geschichten fasziniert gelauscht. Aber sie hatte sich nie ausgemalt, dass sie einmal selbst in der Rolle als Delinquentin an diese Tür klopfen würde. 

Und doch gab es kein zurück. Sie war eine der ersten, die sich Anfang des Schuljahrs für das neue Programm angemeldet hatte. Aber sie hatte nie damit gerechnet, dass es ihr wirklich passieren würde. Sie hatte es einfach insgesamt für ein gutes Konzept gehalten. Und für eine gute Hilfe bei ihrer persönlichen Motivation.

Der Tag heute hatte an sich so gut angefangen, bis Frau Lenner ausgerechnet dann sie bei der stichprobenhaften Hausaufgabenkontrolle ausgewählt hatte. Womit sie nun ihren dritten Strich erhalten hatte. Sie hatte es nicht vergessen. Sie hatte es nur nicht für wichtig gehalten. Wer brauchte schon Bio? Die ersten beiden Striche waren noch aus dem Winterhalbjahr. Es war total unfair, dass Frau Lenner darauf bestand, diese mit zu zählen. Nach dem Halbjahreszeugnis wurde doch alles zurück gesetzt, oder etwa nicht?

„Du nimmst am Programm teil, Leonie? Gratulation, damit bist du jetzt fällig. Komm nach der Stunde zu mir nach vorne, damit ich dir den Laufzettel ausfüllen kann.“

Das wäre auch diskreter gegangen. Danke, Frau Lenner. Und das selbstgefälliges Grinsen, als sie ihr das verkündet hatte, zeigte, dass die Lehrerin offenbar eine diebische Freude verspürte, wenn sie daran dachte, was Leonie nun blühte. Und es genoss, sie da hinein zu reiten.


 „Ja, herein!“, hörte sie die Stimme von Frau Haas durch die Tür, nachdem Leonie endlich den Mut aufgebracht hatte, zu klopfen.

Leonie betrat das kleine Vorzimmer und reichte der jungen brünetten Lehrerin hinter dem Tisch ihren Zettel.

„Ah, Leonie. Das ist dein erstes mal bei uns, hab ich Recht? Was hast du denn angestellt? Hmmm, drei Striche für nicht erbrachte Übungsleistungen. Nana, mal wieder etwas Besseres zu tun gehabt als Hausaufgaben zu machen bei dem schönen Wetter?“

„Habs einfach vergessen“, murmelte Leonie kleinlaut.

„Na dann betrachte es als kleine Gedächtnisstütze. Bist du mit dem Ablauf vertraut?“

„Nicht so richtig.“

„Dann fasse ich es noch einmal zusammen: Du hast dich freiwillig zum 'Schulprogramm zur Abschaffung notenbasierter Konsequenzen' für volljährige Schüler und Schülerinnen angemeldet. 

Das bedeutet, dass du mittels körperlicher Züchtigung bestraft wirst anstelle der bisher üblichen Verwaltungsstrafen. Die Strafen erfolgen durch Schläge auf das Gesäß. Es kommen verschiedene Instrumente zum Einsatz, je nach Schwere des Vergehens und dem pädagogischen Ermessen des Bestrafenden. Möglich sind Schläge mit der flachen Hand, Lederriemen oder Rohrstock. Letztere gibt es in verschiedenen Ausführungen mit unterschiedlich strenger Wirkung. 

Vorher und hinterher dokumentieren wir den Zustand der Erziehungsfläche für die Akten mit einer Kamera. Nachdem du deine Strafe erhalten hast, ist die Sache erledigt. Weitere Konsequenzen erwarten dich dafür dann nicht mehr. Allerdings wirken sich bereits erfolgte Strafen auf die Beurteilung späterer Verstöße aus. Wiederholungen werden in der Regel strenger bestraft. Also schau besser, dass du in Zukunft deine Aufgaben sorgfältig erledigst.

Zum Ablauf: Du weißt sicher, dass die Strafen bei uns an der Schule entweder von Herrn Baumann oder Frau Lazka ausgeführt werden. Dabei ist es Vorschrift, dass immer eine zweite Person aus dem Disziplinarteam bei einer Bestrafung anwesend sein muss, die aufpasst, dass alles sicher und entsprechend der Vorgaben vom Ministerium abläuft, und keine Übergriffe passieren. In der Regel bin ich das. 

Du kannst wählen, von wem du deine Bestrafung erhalten möchtest, von Herr Baumann oder Frau Lazka. Bevor du dich entscheidest, sollte ich bei der Gelegenheit vielleicht erwähnen, dass die Strafen in der Regel auf das zumindest teil-entblößte Gesäß verabreicht werden, sprich, du musst dich vermutlich untenrum bis auf die Unterhose ausziehen. In besonderen Fällen kann die Strafe aber zur Verschärfung auch auf den nackten Hintern verabreicht werden. In deine Fall vermutlich nicht, ich denke, du kommst recht milde davon, da es dein erstes Mal ist, und dein Vergehen nicht gerade schlimm war.

Und da dies dein erstes Mal ist, benötige ich außerdem nochmal eine Unterschrift für deine Einverständniserklärung. Hier“

Sie reichte Leonie ein Formular, das diese ohne weiter nachzudenken unterschrieb. Drei Striche bedeutete alternativ eine mündliche 6. Sie hatte keine Lust, sich den Abischnitt von ein paar blöden Hausaufgaben versauen zu lassen.

Nur wen sollte sie wählen? Leonie spürte, wie sie rot wurde. Frau Lazka hatte einen furchtbaren Ruf an der Schule. Aber der Gedanke, vor einem erwachsenen Mann die Hose herunter lassen zu müssen, um sich von ihm den Po versohlen zu lassen, verursachte einen regelrechten Knoten in ihrem Bauch. Insbesondere der Gedanke an Herr Baumann. Er war immer einer ihrer Lieblingslehrer an der Schule gewesen. Warum ausgerechnet er jetzt in dem Programm diese Rolle einnahm? 

Trotzdem. Die Lazka war ein sadistisches Miststück. Alle, die bereits in den 'Genuss' des Programms gekommen waren, und das Pech gehabt hatten, an sie zu geraten, waren sich einig, dass es ihr offenbar gefiel, Schüler und Schülerinnen leiden zu lassen. Dass sie aus nichtigstem Anlass Strafen verschärfte, es auskostete, immer ans Maximum des Erlaubten zu gehen. Der Baumann dagegen galt als streng, aber korrekt. So, wie er schon immer gewesen war.

„Ich, ich möchte, denke ich, zu Herr Baumann.“

„Ach, Mist, ich sehe gerade, der ist heute gar nicht mehr im Haus. Da müsstest du morgen noch mal wieder kommen. Macht aber nichts, du hast ja fünf Tage Zeit, bis du die Strafe antreten musst. Frau Lazka wäre allerdings heute schon verfügbar. Dann hättest du es hinter dir?“

„Nein, danke, ich werde morgen wieder kommen.“

Frau Haas griff nach dem Kalender auf dem Tisch.

„Donnerstag nachmittag, 14:45 Uhr wäre ein Termin frei. Laut deinem Stundenplan hast du 14:35 Unterricht. Dann trage ich dich also für Donnerstag ein, ja?“


 Nachdem Leonie das Zimmer 211 verlassen hatte, spürte sie, wie schlussendlich doch noch ihre Beine nachgaben. Sie lehnte sich an die Wand, und rang nach Luft. Morgen würde sie also das erste mal in ihrem Leben den Hintern versohlt bekommen. Mit runter gelassener Hose. Von einem Mann. Genaugenommen von einem Lehrer, den sie immer sehr geschätzt hatte, und zu dem sie bisher ein ausgesprochen gutes Verhältnis gehabt hatte. 

War es ein Fehler gewesen, sich ins Programm einzuschreiben?

Der Vorteil war natürlich, dass es dann vorbei war. Es würde keine bleibenden Schäden hinterlassen. Das war verboten. Anders als Verweise, die im Zeugnis vermerkt wurden, oder schlechte Noten, die einem erhalten blieben. Kurzfristige Schmerzen waren besser zu ertragen als langfristige Hypotheken.

Aber Herr Baumann... Was würde er von ihr denken? Und vor Allem, was würde sie ihm gegenüber empfinden. Hinterher, nachdem er das mit ihr gemacht hatte. Würde sie ihm jemals wieder in die Augen schauen können? Hatte sie sich wirklich richtig entschieden? Frau Lazka wäre kurzfristig vermutlich schlimmer zu ertragen gewesen, aber wenigstens hätte es nichts verändert, sie hätte sie unverändert einfach weiter hassen können, anstatt langfristig ihr Verhältnis zu Herr Baumann zu beeinträchtigen.

Aber der Punkt war noch ein anderer. Irgendwie sprach die Vorstellung sie auch an. Irgendwie hatte es etwas Intimes. Es gab eine besondere Verbindung zwischen Bestrafer und Bestrafter. Und das wollte sie nun auf keinen Fall mit einer Person erleben, die sie absolut nicht leiden konnte.




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