Most Wanted

Lisis Kerle 2



Lieber C.,

Du hast gesagt, ich sei kompliziert. Zuletzt immer öfter. Und ich vermute, du hast da sogar recht. Wobei es vor allem die Situation war, die kompliziert wurde.

 Über dich hat eine Freundin von mir mal gesagt, du seist ein Turbo-Alman, und was ich eigentlich mit dir will. Ich wollte alles mit dir. Aber das war dir leider zu viel. Mir ist klar, ich hab dich überfordert, und das tut mir wirklich leid. Ich wollte alles, und möglichst auf einmal. Und wie ich dann so bin, dann presche ich vor, und versuche alle anderen mit zu ziehen. Und wenn irgendwas bremst, dann frustrierts mich.

Weißt du, du warst mein Partner für über vier Jahre. Vielleicht warst Du sogar meine große Liebe. Du wirst jedenfalls immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben. Aber weißt auch, es ist halt auch so: in den vier Jahren ist viel passiert. Ich habe meine Ausbildung abgeschlossen, bin zu dir in die große Stadt gezogen, habe einen Job in meinem erlernten Metier angefangen, und mich dann recht schnell an der Uni eingeschrieben. Ich war dauernd in Bewegung. Hab mich verändert. Du aber bist immer noch der Gleiche. Und das hat mal gepasst, als ich 19 war, aber zur 24jährigen Lisi passte es nimmer.

Und sind wir ehrlich, das lag nicht nur daran, dass ich pervers bin. Das war dann halt der Punkt, an dem das grundsätzlichere Problem offenbar wurde.

Wobei wir da halt dann zum Knackpunkt kommen. Und etzat fällts mir a weng schwer das zu schreibn.

Die Sache hat zwei Seiten, Mehr sogar. Ich versuch es mal aufzudröseln.

Also zunächst hab ich halt gedacht, eine Beziehung, die seit drei turbulenten Jahren hält, ist tragfähig genug. Und der Partner, der es so lang mit mir ausgehalten hat, verdient es, dass ich mich ihm endlich vollständig öffne. Du warst ja zumindest im Bett normal recht aufgeschlossen. Und du warst neugierig. Aber was dann kam, hat dich save überfordert, hab ich recht?

Ich mein, fetter Respekt und so an dich, weil du dich zumindest mal kurz darauf eingelassen hast. 

O.k., mir ist klar, das war viel verlangt. Zu erwarten, dass sich mein Vanilla-Freund darauf einlässt, meine dunkelsten Vorlieben zu befriedigen. Nur warst du leider nicht gut darin. Und ich war nicht gut darin, damit klar zu kommen. Ich mein, C. ey, du kannst doch sonst immer alles. 

Das war blöd von mir. Aber versuche dich mal in meine Lage zu versetzen. Es ging ja nicht nur ums Poversohlen. Das hast ja einigermaßen hinbekommen, also rein physisch. Das Problem war das außenrum. Schau, es geht dabei doch auch um Dominanz und Hingabe. Und darum, dass ich mal die Kontrolle abgeben kann. Und genau da ist der Knackpunkt. Es war mein Bedürfnis, nicht deins. Trotzdem habe ich irgendwie erwartet, dass du die Führung übernimmst. Und meine eigene Unsicherheit kompensierst. Wie hättest du das denn machen sollen? Und so hab ich versucht, zu organisieren und zu arrangieren, und eben wieder dich mit zu ziehen. Und genau deshalb hat es nicht funktioniert.

Ich weiß, du warst einfach der Falsche dafür. Aber soll ich mir vorwerfen, dass ich dich halt so gern als den Richtigen gehabt hätte?

Wir haben uns ne Weile nicht mehr gesehen. Ich vermisse dich auch schon fast gar nicht mehr. 

Auch an dich geht ein Dank. Ich habe mir das alles ganz einfach vorgestellt. Ich musste nur aus dem Schrank kommen mit meinen Wünschen, das war das einzige Problem, und dann wäre alles schon gelaufen. Dank dir weiß ich, dass die Welt so nicht funktioniert. Seit du ausgezogen bist hatte ich keinen festen Freund mehr. Den ein oder anderen casual Fick, aber nichts Ernstes. Und keine Ambitionen, jemanden zu finden, der mir den Po versohlt. Oder mich ans Bett bindet. Das ganze perverse Zeug halt. Jetzt grad in meinem Leben ist kein Raum für noch ein Drama. Ich muss dich erstmal verarbeiten, ich muss meinen Abschluss hinbekommen. Und ich muss für mich einen Weg finden heraus aus dem Dilemma, dass ich mir Kontrollverlust beim Sex wünsche, aber nicht in der Lage bin, die Kontrolle abzugeben. 



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